Die Machbarkeit der Energiewende

28.05.2010

VERDEN Während unser Nachbar Frankreich weiterhin auf die Kernenergienutzung setzt, sind bei uns die erneuerbaren Energien ein populäres Thema. Wir sind inzwischen bei der Nutzung regenerativer Energieträger technologisch an vorderster Stelle. Allein in Niedersachsen sind dadurch über 70000 neue Arbeitsplätze entstanden.


Auch für das heimische Handwerk bringt die Energiewende erhebliche zusätzliche Impulse. Bei nahezu der Hälfte aller Gebäude steht in den nächsten zwei Jahrzehnten eine energetische Sanierung an. Durch den Einsatz von kleinen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kann in größeren Häusern und in Gewerbebetrieben Strom und Wärme aus Erdgas oder Biogas gleichzeitig produziert werden. Diese Geräte arbeiten dann, wenn im Haus Strom benötigt wird. Die „nebenbei“ erzeugte Wärme wird als Warmwasser gespeichert und steht jederzeit zur Verfügung.

Zukünftig wird die Energieerzeugung also vermehrt dezentral stattfinden. Dies gilt erst recht für die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie zur Stromerzeugung. Wenn die jetzige Förderpraxis fortgesetzt wird, ist damit zu rechnen, dass bereits in zehn Jahren in Deutschland Photovoltaik- und Windenergieanlagen mit der Stromerzeugungskapazität von nahezu 40 Kernkraftwerken am Netz sein werden. Nur, selbst auf See weht der Wind nicht ständig und die Sonnenkraftwerke auf den Dächern bringen es durchschnittlich jährlich nur auf knapp 900 Volllaststunden. Wir benötigen aber eine Versorgungssicherheit von 8650 Stunden im Jahr.


Wenn allerdings die Sonne an einem windigen Tag vom Himmel lacht und dies noch ein Feiertag mit geringem Energieverbrauch ist, dann wird bereits jetzt in Norddeutschland Strom im Überschuss erzeugt. So ein Tag war z.B. der 3. Oktober 2009. An solchen Tagen kommt es an der Leipziger Strombörse zu einem negativen Strompreis, d. h. Stromverbraucher bekommen Geld dafür, dass sie Strom abnehmen.


Die Energiewende mit zigtausenden übers ganze Land verteilten Stromerzeugungsanlagen kann also nur funktionieren, wenn zentral ein straffes Strommanagement vorhanden ist und entsprechende Speicherkapazitäten geschaffen werden. Eine Schlüsselfunktion beim künftigen europäischen Energiemanagement werden die norwegischen Wasserkraftwerke haben. Bei Windflaute können wir preisgünstigen Wasserkraftstrom aus dem Norden beziehen und an anderen Tagen kann Überschussstrom nach Norwegen geleitet werden, um Wasser in die Speicherbecken hoch zu pumpen. Dazu müssen allerdings gewaltige Seekabel nach Skandinavien verlegt werden.


Eine große Zukunft wird auch die Verbrauchssteuerung haben. Tiefkühltruhen, Waschmaschinen und weitere Geräte bis hin zu Elektroautos werden zu bestimmten Tageszeiten Strom abnehmen, wenn dieser im Überschuss zur Verfügung steht und zu günstigen Preisen angeboten wird.


Fazit: Die schöne neue Welt mit vorwiegend regenerativer Energieerzeugung ist technisch machbar. Dazu bedarf es sehr effizienter Leitungsnetze zur Strom- und Datenübertragung und einer zentralen Steuerung. Unser kommunales Unternehmen EWE mit seinen Sparten Strom, Gas, Telekommunikation und Energieforschung arbeitet intensiv an der Umsetzung dieser Zielvorstellung. Der Landkreis Verden als einer der Anteilseigner der EWE ist gut beraten, dies zu unterstützen.


Wilhelm Hogrefe, MdL, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion

Quelle: Verdener Gespräch vom 27.05.2010 (Verdener-Aller-Zeitung)